»Skaten erinnert mich an Tanzen«

von Mette Ingvartsen
Wie holt man den Tanz aus dem Tanzstudio? Die dänische Choreografin Mette Ingvartsen hat das Konzept der »durchlässigen Choreografie« entwickelt und macht soziale und politische Fragen zu den Bausteinen ihrer Produktionen. Hier erklärt sie, wie die Idee zu »Skatepark« entstand und was Skaten und Tanz gemeinsam haben.

– 16. April 2024

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»Vor ein paar Jahren saß ich in einem Skatepark im Zentrum von Brüssel. Als ich das Treiben dort beobachtete, wurde mir klar, wie unglaublich performativ dieser Ort war. Es handelte sich sowohl um einen Raum für virtuose physische Experimente als auch um einen gemeinsamen, öffentlichen Ort für interkulturelle Begegnungen zwischen Gemeinschaften.

Von meinem Platz aus konnte ich beobachten, wie junge Menschen unterschiedlichen Alters durch den Park glitten und immer wieder versuchten, spektakuläre Kunststücke zu vollführen. Ich sah Jungen, die auf Fahrrädern durch die Luft flogen oder schnell vorwärts strampelten, wobei nur ein Rad den Boden berührte. Ich starrte auf eine Gruppe von Mädchen im Teenageralter, die einen Tanz einstudierten, den sie mit einem Handy aufnahmen. Ich war überwältigt von ihrem Rhythmusgefühl, ihrem vollen Einsatz, aber auch von dem Spaß, den sie miteinander hatten, während sie ihren Tanz vor der Kamera perfektionierten.

Es fiel mir auf, wie extrem die körperliche Aktivität in diesem Park war. Ich war beeindruckt von der Ausdauer dieser jungen Menschen, die so hart an ihrem Erfolg arbeiteten. Es erinnerte mich an das Tanzen und daran, wie Körper von dem unstillbaren Wunsch angetrieben werden können, eine bestimmte Bewegung zu beherrschen. Ich war fasziniert von ihrer körperlichen Energie, aber auch von ihrer Fähigkeit, sich selbst zu koordinieren, und dem Respekt, der notwendig ist, um Unfälle in ihrem gemeinsamen Raum zu vermeiden.

In den folgenden Wochen kehrte ich immer wieder fasziniert in den Park zurück und entwickelte die Idee, dass ein Skatepark ein großartiger Raum und Kontext für eine Choreografie sein könnte. Mir schwebte eine extensive Form des Tanzes vor, die sowohl körperlich virtuos als auch gesellschaftlich relevant sein sollte. Ein konsequenter Versuch, einen Ort zu verstehen, an dem verschiedene Kulturen nebeneinander gedeihen, selbst in einer Zeit, in der unsere Gesellschaft darum kämpft, alle Arten von Ungleichheit und Diskriminierung zu überwinden.

Skatepark ist eine raumgreifende Aufführung für eine große Gruppe von Tänzer*innen und Skater*innen. Die feste Besetzung besteht aus zwölf Darsteller*innen im Alter zwischen 11 und 38 Jahren, mit denen ich zwölf Wochen lang probte, um den Kern der Choreografie zu erarbeiten. Zum Auftakt des Stücks stehen mehrere junge Skater*innen aus der Region auf der Bühne, die an jedem Aufführungsort rekrutiert werden. Die Idee dahinter ist, überall dort, wo das Stück aufgeführt wird, ein lokales Interesse zu schaffen und gleichzeitig neue Zuschauer*innen und Gemeinschaften zu erreichen, die normalerweise nicht ins Theater gehen würden.

Das Stück spielt in einem lebendigen Setting – einer Skateparkbühne, die von verschiedenen Einzelpersonen und kleinen Gruppen bevölkert wird. Die Choreografie basiert auf den Bewegungen und Verhaltensweisen, die man in einem typischen Skatepark beobachten kann: Skaten, Radfahren, große Sprünge durch die Luft, die Überwindung der Schwerkraft, aber auch Musik hören, reden, lachen, singen und tanzen. Diese parallelen Rhythmen werden moduliert, um den Fokus des Publikums von einem Geschehen zum anderen zu verlagern und eine kraftvolle Dichte von Energie und Bewegung zu schaffen.

Das Bühnenbild wurde in Zusammenarbeit mit Pierre Jambé und Antidote Skateparks entworfen, die über eine langjährige Erfahrung im Bau von Skateparks im öffentlichen Raum verfügen. Ziel war es, ein Bühnenbild zu schaffen, das funktionell auf das Skaten ausgerichtet ist und sich gleichzeitig an die frontale Ausrichtung einer Bühne anpasst. Die von Minna Tiikkainen geschaffene Beleuchtung ist so angelegt, dass sie die verschiedenen Stimmungenaufnimmt, die im Laufe der Show entstehen.

Skatepark steht für einen neuen Ansatz, den ich in meiner Arbeit entwickele und den ich »durchlässige Choreografie« nenne. Er ist das Ergebnis jahrelanger Forschung darüber, wie man choreografische Praktiken über das Tanzstudio hinaus erweitern kann, indem man körperliche, soziale und politische Fragen zu den Bausteinen einer choreografischen Arbeit macht. In diesem Stück wird die Choreografie von den folgenden Fragen geleitet: Um welche Art von körperlicher Freude geht es bei den Aktivitäten der Skater*innen? Welche Art von sozialem Raum wird durch ihre Bemühungen und ihre Ausdauer geschaffen? Wie können wir die interkulturellen Begegnungen verstehen, die in diesem öffentlichen Raum entstehen, und was können wir von dem Gefühl des Fließens und der Leichtigkeit lernen, das sie bestimmt? Der durchlässige Ansatz zielt darauf ab, Tanz als soziales Phänomen zu verstehen, und erkennt an, dass Bewegung nicht von der Welt, in der wir leben, abgekoppelt werden kann. Er umfasst mein Interesse an der Zusammenarbeit mit Gemeinschaften sowie mit Künstler*innen, die zwar keine formale Tanzausbildung haben, aber dennoch eine ausgeprägte Erfahrung mit virtuosen Bewegungsmustern aufweisen. Mein Ziel bei dieser Arbeit ist es, die Bühne selbst für Bewegungen aus dem wirklichen Leben durchlässig zu machen und den Tanz in einen Dialog mit konkreten sozialen Situationen zu bringen, die uns bewegen und – hoffentlich buchstäblich – von den Sitzen reißen.«

Von Mette Ingvartsen

(Auszug aus dem Programmheft zur Uraufführung von »Skatepark« am 13. April 2023 am Cndc im französischen Angers)

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