Wie kann
Deutschland
die Ukraine
besser
verstehen
?
Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Menschen vor Ort und in den Nachbarländern bilden einen Schwerpunkt im künstlerischen Programm von asphalt 2023. Auch die Abschlussveranstaltung der diesjährigen Festivalausgabe widmet sich diesem Thema. »Erzähl mir von mir« ist ein Gipfeltreffen von wichtigen Stimmen aus der Ukraine und Deutschland, bei dem prominente Autor:innen aus beiden Ländern miteinander in den Dialog treten.
Der Dichter, Schriftsteller und Essayist Serhij Zhadan, der 2022 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk, der Autor und Übersetzer Juri Durkot, der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2018 ausgezeichnet wurde, die Übersetzerin Beatrix Kersten, die zuletzt eine große Selenskyi-Biografie ins Deutsche übertrug, die Schriftstellerin und Ärztin Iryna Fingerova und der ZEIT-Online-Journalist und preisgekrönte Reporter Steffen Dobbert werden miteinander über die ukrainisch-deutschen Beziehungen sprechen und wie sich diese seit dem Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 entwickelt haben.
Mehr als eine Millionen Menschen sind seit der russischen Invasion nach Deutschland geflüchtet. Ukrainische Einwander:innen, die bereits länger hier leben, treffen auf Neuankömmlinge. Es gibt kontroverse Diskussionen über Waffenlieferungen, humanitäre Hilfe und die zukünftige Unterstützung des ukrainischen Staates. Wie können die Ukrainer:innen ihren Platz in Deutschland und vor allem in der EU finden? Wie kann Deutschland die Ukraine besser verstehen? Was wird die Zukunft bringen?
Die Moderation des Abends übernimmt der Musiker, DJ und Autor Yuriy Gurzhy. Zwischen den Gesprächen wird er Musiktitel spielen, die nach Kriegsbeginn entstanden sind und die er in Abstimmung mit den Gästen zu einer Playlist zusammengestellt hat. Die ukrainische Publizistin Oksana Shchur hat die Veranstaltung gemeinsam mit Yuriy Gurzhy kuratiert.
Die Autor:innen
Serhij Zhadan, geboren 1974 in Starobilsk in der Ukraine, ist Dichter, Schriftsteller, Essayist und Übersetzer und lebt in Charkiw. 2022 wurde er in Deutschland mit dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Freiheitspreis der Frank-Schirrmacher-Stiftung ausgezeichnet. Zhadan ist auch als Sänger und Songschreiber tätig. Seine Band Zhadan and Sobaky hat an vielen Musik- und Literaturfestivals in der Ukraine und weltweit teilgenommen. 2021 nahm er zusammen mit Yuriy Gurzhy das Album »Fokstroty« auf, das auf den Gedichten ukrainischer Autoren basiert, die vor 100 Jahren in Charkiw lebten. Zuletzt erschien in Deutschland sein Buch »Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg« (2022, Suhrkamp).
Tanja Maljartschuk, 1983 in Iwano-Frankiwsk in der Ukraine geboren, arbeitete nach ihrem Philologie-Studium zunächst als Journalistin in Kiew. Ihre jüngsten Veröffentlichungen in deutscher Sprache sind der Roman »Blauwal der Erinnerung« (2019) und der Essayband »Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus« (2022, beide Kiepenheuer & Witsch). 2018 erhielt Tanja Maljartschuk den Ingeborg-Bachmann-Preis, 2022 den Usedomer Literaturpreis. Sie schreibt regelmäßig Kolumnen u. a. für ZEIT Online und die Deutsche Welle Ukraine und lebt seit 2011 in Wien.
Juri Durkot, geboren 1965 in Lwiw, studierte Germanistik an den Universitäten Lemberg und Wien. Derzeit lebt er als Autor und Übersetzer in Lwiw. Für die Übersetzung des Romans »Internat« von Serhij Zhadan wurde er 2018 gemeinsam mit der Übersetzerin Sabine Stöhr mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. 2022 ist in der Übersetzung von Durkot und Stöhr »Himmel über Charkiw« von Serhij Zhadan erschienen. Seit dem 24. Februar 2022 veröffentlicht die WELT Juri Durkots Kriegstagebuch.
Beatrix Kersten arbeitet seit vielen Jahren als freie Texterin und Übersetzerin. Sie übersetzte Gedichte, Songtexte und Prosa ukrainischer Autor:innen u. a. für Literaturfestivals, Zeitschriften, Anthologien im In- und Ausland. Erschienen sind in ihrer Übersetzung zuletzt u. a. Serhij Rudenkos politische Biografie »Selenskyj« (2022, Hanser), aber auch ukrainische Avantgarde-Lyrik aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (»Ein Hauch von Grauen und verborgene Hoffnung«, 2023, Arco) und der historische Roman »Das Zeitalter der roten Ameisen« von Tanya Pyankova (2022, Ecco). Kersten lebt und arbeitet in Amsterdam und in Frankreich.
Iryna Fingerova, geboren im ukrainischen Odessa, ist Schriftstellerin, Essayistin und Ärztin. Seit 2018 lebt sie in Dresden. In der Ukraine veröffentlichte sie zwei Kurzgeschichtensammlungen, die Romane »Placebo« (2018) und »Zamki« (2020) sowie das Kinderbuch »Trink Wasser« (2022). Seit Kriegsausbruch schrieb sie mehrere Essays über ukrainische Flüchtlinge in Deutschland und wie sie als Ärztin ehrenamtlich medizinische und psychologische Unterstützung leistet. Ihre Texte wurden in mehreren deutschsprachigen Magazinen veröffentlicht.
Steffen Dobbert, geboren 1982 in Wismar, lebte als Stipendiat des Internationalen Journalistenprogramms (IJP) in Odessa und Kiew. Der Journalist, der seit 2014 der Redaktion von ZEIT Online angehört, ist spezialisiert auf die Themen Ukraine, EU, Russland und Osteuropa. Mehr als 50 Recherchereisen führten ihn in verschiedene Teile der Ukraine. 2014 erschien sein Reportageband »Euromaidan: Protest und Zivilcourage in der Ukraine«, 2020 »Heimatsuche: In 80 Tagen durch Mecklenburg-Vorpommern« und 2022 »Ukraine verstehen: Geschichte, Politik und Freiheitskampf«. 2017 erhielt Dobbert den Deutschen Reporterpreis.
Musik und Produktion
Yuriy Gurzhy, geboren in Charkiw, kam im Alter von 20 Jahren mit seiner Familie nach Potsdam und lebt heute in Berlin. Der bekannte Musiker, DJ, Produzent und Radiomoderator gründete gemeinsam mit dem Schriftsteller Wladimir Kaminer die legendäre Partyreihe »Russendisko«. Gurzhy kuratierte zehn Compilations auf verschiedenen europäischen Plattenlabels, darunter »Russendisko Hits«, »Shtetl Superstars« und »Borsh Division – Future Sound of Ukraine«. Zu seinen neuesten Produktionen gehören »Misto 2Go – New Donbass Symphony« (2021), »Fokstroty« (mit Serhiy Zhadan, 2021) und »Ukrainian Songs of Love and Hate« (mit Irena Karpa, Lyuba Yakimchuk und Grigory Semenchuk, 2022). In seinem Buch »Richard Wagner & Die Klezmerband« (2022) begibt er sich auf die Suche nach dem aktuellen jüdischen Sound Deutschlands.
Oksana Shchur ist eine ukrainische Kuratorin, Literaturkritikerin und Publizistin. Seit 2022 lebt sie in Berlin. Von 2016 bis 2022 war sie Kuratorin des International Book Arsenal Festivals in Kiew, der wichtigsten Literaturveranstaltung in der Ukraine, und verantwortete dort als Kuratorin die internationalen Projekte und das Hauptprogramm. Davor arbeitete sie als Chefredakteurin bei Komora und Osnovy Publishing. Sie ist Kuratorin und Produzentin von » Fokstroty« (2021), »Ukrainian Songs of Love and Hate« (2022) und Mitherausgeberin der Anthologie »Stimmen gegen Krieg« (Österreich-Ukraine, 2022). Shchur ist Autorin zahlreicher Literaturkritiken, Kolumnen und Interviews für ukrainische Medien wie Ukrainska Pravda, Ukrainskyi Tyzhden, LB.ua, Chytomo und Gender in Details.
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Gefördert von der Kunststiftung NRW im Rahmen des Projektes UKRAINIAN VOICES